Wie kam das Pilotprojekt „Schmeck den Süden“ zustande? Und was bedeutet diese Auszeichnung in der täglichen Praxis?

Karl Stollsteimer:
Der Trend in der Gastronomie zu mehr Regionalität war schon in den 1990er Jahren spürbar. Bereits 1996 wurde vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA gemeinsam mit der Marketinggesellschaft Baden-Württemberg und mit Unterstützung des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Qualitätsmarke „Schmeck den Süden“-Gastronomen ins Leben gerufen. Die Idee, die Wertschätzung für regionale und oftmals teurere Produkte mit einem Qualitätssiegel zu fördern, wurde anfangs gerne belächelt. Heute sind Frische und Regionalität gefragter denn je.

Philipp Stollsteimer:
Spannend war die Frage, wie sich die „Schmeck den Süden“-Auszeichnung für Betriebsrestaurants realisieren lässt. Denn während normale Restaurants in der Regel eine Speisekarte anbieten, die zumindest über einige Wochen relativ stabil ist, und somit eine gewisse Planungssicherheit haben, wechselt das Angebot in Betriebsrestaurants täglich. Gemeinsam mit der DEHOGA haben wir als Pilotpartner einen Kriterienkatalog entwickelt. Umso mehr hat es uns dann gefreut, dass wir seit 2017 als erster Gastronom für Unternehmen von „Schmeck den Süden“ ausgezeichnet wurden. Gemeinsam mit unseren Gästen im ZÜBLIN-Betriebsrestaurant die Wertschätzung für frische Lebensmittel aus der Region leben zu können, finde ich im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnet.

Früher war von Kantinen die Rede, heute spricht man von Betriebsrestaurants. Woher kommt dieser Wandel?

Philipp Stollsteimer:
Kantinen waren früher vor allem Sinnbild für die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme. In den letzten 20 Jahren hat sich der Unternehmensblick „über den Tellerrand hinaus“ enorm geweitet. Deswegen auch der Begriffswandel: Es geht um Restaurants, um „Betriebs-Restaurants“. Der Begriff Kantine stammt übrigens von italienisch cantina, was eigentlich Flaschenkeller bedeutet und somit als Begriff an sich nicht ganz so geeignet ist. Betriebsrestaurants sind heute bei vielen Unternehmen als Mitarbeiter-Benefit und in der Markenbildung nicht mehr wegzudenken. Eine anspruchsvolle Betriebsgastronomie geht nicht nur mit täglichem Genuss für jeden Geschmack einher. Sie gibt auch Raum als stimmungsvolle Begegnungsstätte und macht Appetit auf mehr.

Karl Stollsteimer:
ZÜBLIN war in diesem Punkt ein Vorreiter. Mit dem ZÜBLIN-Haus als Ort für Musikveranstaltungen und Schauspielaufführungen wurden schon sehr früh auch Externe ins Haus geholt und der kulturelle Austausch über das Unternehmerische hinaus gefördert. Die hochkarätige ZÜBLIN-Cafeteria mit ihrer Nutzung für viele andere Dinge war ihrer Zeit voraus.

Das Ernährungsbewusstsein hat sich in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt. Vegane oder vegetarische Trends haben sich in der Gesellschaft als fester Bestandteil etabliert. Wie setzen Sie die vielfältigen Bedürfnisse Ihrer Gäste in den Betriebsrestaurants, Kitas und Schulen um?

Philipp Stollsteimer:
Wenn wir ehrlich sind, war Fleisch viele Jahre schlicht zu billig. Zur Zeit meiner Großeltern war es normal, dass es Fleisch nur an wenigen Tagen der Woche gegeben hat. Damals hat man noch vom Sonntagsbraten gesprochen. Von einem vegetarischen oder veganen Trend war damals nicht die Rede. Es war einfach normal, in der Ernährung eher auf pflanzliche Lebensmittel zurückzugreifen. Über viele Jahre ist die Wertschätzung für Fleisch und damit auch die Tiere verloren gegangen. Es ist gut, dass sich dieser Trend nun umkehrt.

Bei unseren Gastronomiekonzepten gehen wir für jedes Betriebsrestaurant individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse ein. Die Speisepläne können sich deshalb deutlich unterscheiden. Durch unsere enge Kundenbetreuung wollen wir unser hohes Qualitätsbewusstsein in der täglichen Praxis sicherstellen.

Karl Stollsteimer:
Um unser hohes Qualitätsbewusstsein und die hohe Individualität in der täglichen Praxis sicherzustellen, setzen wir schon immer in Krankheitsfällen etc. unser eigenes Springerteam ein, das heißt Vertretung möglichst nur durch internes Personal. Genauso wichtig wie das Ernährungsbewusstsein ist mir übrigens auch das Bewusstsein für den Wert von jedem Handwerk, vom Maurer über den Kabelleger bis hin zum Koch und Spüler. Ich wünsche mir für unsere Gesellschaft eine gesunde Wertschätzung für alle handwerklichen Tätigkeiten genauso wie für eine gesunde Ernährung.

Immer mehr Betriebe legen hohen Wert auf Nachhaltigkeit. Welchen Beitrag leisten Sie hierzu?

Philipp Stollsteimer:
Grundsätzlich vermeiden wir den Einsatz von Einwegverpackungen. Deswegen setzen wir in immer mehr Betrieben Mehrwegsysteme ein. Was das Essen selbst betrifft, nehmen wir nur chargenweise Nachproduktion vor, um eine Überproduktion weitgehend zu vermeiden. Ein dritter Punkt: Da der Anteil an veganen und vegetarischen Gerichten weiterhin steigt, schulen wir auch unsere Köche entsprechend.

Bei Betriebsrestaurants geht es für Sie um mehr als gutes Essen. Welche Innovationen streben Sie für die Zukunft an?

Philipp Stollsteimer:
Bei Innovationen und Kreativität geht es im ersten Schritt oftmals darum, das Bestehende noch besser oder neu zu kombinieren. Unser Ziel ist, unsere Liebe zum Detail weiter zu perfektionieren. Der Gast unseres Betriebsrestaurants soll das Gefühl haben, dass sich unser Service in allen Details widerspiegelt. Mich treibt die Frage um: Was können wir in unseren Abläufen und in der Gestaltung noch besser machen, um unserem hohen gastronomischen Anspruch gerecht zu werden? Nur die Summe ganz vieler Kleinigkeiten führt zum Ziel, angefangen bei der Freundlichkeit der Mitarbeiter bis hin zur täglichen Frische und Handwerklichkeit. Für zukünftige Projekte wollen wir die Küche und das Kochen transparent gestalten.

Karl Stollsteimer:
Im Internet-Zeitalter können Betriebsrestaurants einen noch wichtigeren Beitrag für Offline-Zeiten leisten, als man früher vielleicht gedacht hätte. So sehr das Digitale Vorteile hinsichtlich Effizienz mit sich bringt, wissen wir auch: Jeder Trend erzeugt einen Gegentrend, und Frische wird Frische bleiben. Für die Zukunft möchte ich nur einen Punkt ergänzen, der immer unser eigener Anspruch bleiben wird: Dass wir im Idealfall unseren Gästen mit unserem Service von Mensch zu Mensch und von Hand mit Herz ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Persönliche Begegnungen und Beziehungspflege lassen sich, wenn überhaupt, nur mehr schlecht als recht digital realisieren.